Terror – mein Urteil
Ich habe am Montag den 17. Oktober 2016 einen Film in der ARD gesehen. Dieser hieß Terror - ihr Urteil. Darin ging es um eine Gerichtsverhandlung, die ein theoretisches Szenario behandelt hat.
Ein Kampfflugzeugpilot hat ein Flugzeug mit
164 Passagieren an Bord, welches von einem Terroristen auf ein Fußballstadion
mit 70.000 Menschen gelenkt wurde abgeschossen und steht für diese Entscheidung
nun vor dem Gericht.
Bei dieser Gerichtsverhandlung sagten
nacheinander verschiedene Beteiligte aus und danach hat Deutschland
entschieden, ist dieser Mann schuldig oder nicht schuldig. Je nachdem wie die
Abstimmung verlaufen ist, wurde dann das jeweilige Ende, die Urteilsverkündung,
ausgestrahlt worden. Entsprechend wurde das Thema noch in der Sendung Hart aber
Fair diskutiert.
Der Film hieß Terror – ihr Urteil und wurde
von Ferdinand von Schirach in Szene gesetzt. Gleichzeitig lief dieser Film auch
in Österreich und der Schweiz.
Als erstes wurde der Leiter der
Kommandozentrale im Fußballstadion befragt. Dieser hatte das Stadion nicht
räumen lassen und dadurch den Flugzeugpiloten Koch gezwungen eine Entscheidung
zu treffen, ob man das Flugzeug nun abschießen sollte oder nicht.
Ihm wurden auch höchst beunruhigende Fragen
der Staatsanwältin gestellt.
Sie waren sich also sicher, dass der Pilot
die richtige Entscheidung treffen würde? Ja.
Sie haben das Stadion also daraufhin nicht
geräumt, da sie darauf vertraut haben, dass Herr Koch dieses abschießen würde?
Ja.
Und hätten sie das Stadion geräumt wenn
niemand das Flugzeug hätte abschießen können? Ja.
Nach diesem Zeugen wurde Herr Koch selber
aufgerufen.
Zuallererst wurde sein Lebenslauf
erläutert. Dadurch wurde klar gemacht, dass er ein intelligenter,
hochqualifizierter Mann war.
Nun wurden die Abläufe dieses Tages noch
einmal genau erklärt.
Herr Koch wusste was er da tat. Er war sich
ganz genau bewusst, dass er 164 Menschen tötete, war allerdings auch der
Meinung, dass er dadurch 70.000 rettete.
Aber hat er das wirklich? Die Passagiere
versuchten nämlich in den Minuten vor dem Abschuss ins Cockpit des Flugzeuges
einzudringen. Hätten sie es noch erreichen können? Hätten sie es vielleicht zum
Absturz bringen können, es umlenken können?
Koch antwortete auf die Frage, ob er gesehen
hätte das Menschen auf den Fluren standen und versuchte ins Cockpit zu kommen,
dass er nichts dergleichen gesehen habe.
Doch Koch hatte noch ein paar andere
hochinteressante Ansichten.
Zum Beispiel argumentierte er so: Die
Menschen haben sich bewusst auf ein Risiko eingelassen als sie in dieses oder
jedes andere Flugzeug stiegen. Jedem in unserer heutigen Welt ist spätestens
nach den Anschläge 2001 oder auch nach denen von Paris bewusst, dass es bei
größeren Menschenansammlungen zu terroristischen Anschlägen kommen kann. Er
geht sogar so weit, dass er sagt die Menschen sind nicht mehr unschuldig wenn
die in dieses Flugzeug steigen. Sie haben eingewilligt im Zweifelsfall getötet
zu werden.
Aber was ist dann mit den Kindern? Auch auf
diese Frage der Staatsanwältin hat er eine Antwort. In diesem Fall haben die
Eltern eingewilligt.
Hat er Recht? Willigen wir mit dem Kauf
eines Tickets also ein, vielleicht getötet zu werden und sind wir dadurch nicht
mehr unschuldig, da wir um die Gefahr wissen? Sind das dann nicht auch die
Menschen im Fußballstadion? Bin nicht ich das auch schon, wenn ich auf eine
Party gehe? Wenn ich in ein Café gehe? Wenn ich vor die Türe gehe? Vielleicht
bin ich mir sogar der möglichen Gefahr bewusst, aber werde ich dadurch nicht
mehr unschuldig?
Doch Koch geht noch weiter. Er behauptet,
dass die Menschen im Flugzeug zu Gegenständen werden, da sie als eine Waffe
gebraucht werden. Das Flugzeug ist die Waffe des Terroristen, ja, aber die
Menschen sind immer noch Menschen. Ob schuldig oder nicht schuldig.
Am interessantesten fand ich die letzten
Fragen der Staatsanwältin an Herrn Koch.
Würden sie es immer wieder tun, auch wenn
ihnen die Konsequenzen bewusst sind? Ja.
Hätten sie es auch getan, wenn ihre Frau
und ihr Kind in dem Flugzeug gesessen hätten? Darauf kann ich keine Antwort
geben.
Aber fällt mit dieser Antwort nicht die
ganze Argumentation der Verteidigung? Dass es Überstaatliche Entscheidungen
gibt, die auf Prinzipien und nicht auf der Moral beruhen? Wenn Herr Koch also
aufgrund von Prinzipien gehandelt hätte, dann hätte er das Flugzeug abschießen
müssen, auch wenn Familienangehörige darin gesessen hätten.
Danach wird eine Angehörige eines der Opfer
vor Gericht geladen und sie erzählt auf der ergreifende Weise wie sie diesen
Tag erlebt hat. Sie verurteilt auch Herrn Koch diese Menschen getötet zu haben.
Danach folgt das Plädoyer der Staatsanwältin:
Die Kernaussagen des Plädoyers der
Staatsanwältin sind Folgende.
Man kann Menschenleben nicht aufrechnen.
Leben kann nämlich nicht in Zahlen gemessen werden, es ist kein Markt.
An diesem Punkt hat mein Bruder gesagt:
„Natürlich kann man das.“ Und ich habe ihm daraufhin ein Beispiel genannt. Wenn
du entscheiden müsstest wer stirbt und klar ist das der eine nicht überleben
kann während der andere überlebt. Auf der einen Seite stehen zwei Massenmörder
und Vergewaltiger im Alter von 60. Auf der anderen ein kleiner fünfjähriger
Junge. Wen würdest du töten? Und mein Bruder hat geantwortet: „Die beiden
Mörder.“
Nun, kann man jetzt Leben gegeneinander
aufrechnen? Kann man immer pauschal sagen, dass immer diejenigen gerettet
werden müssen, die in der Mehrzahl sind?
Ich glaube spontan würde jeder sagen, ja
klar. Aber wenn man näher darüber nachdenkt, kommt man in einen Konflikt.
Die Staatsanwältin nannte dafür auch ein
Beispiel.
Man kann eine Weiche umstellen, sodass ein
unkontrollierbarer Zug entweder in ein Dorf kracht oder einen anderen Weg
entlangfährt und dabei 5 Arbeiter, die gerade die Gleise reparieren, tötet. Man
würde die Weiche also so einstellen das weniger Menschen dabei umkommen. Wenn
man das Geschehen nun aber von einer Brücke beobachten würde und man einen
einzigen dicken Menschen töten müsst meinetwegen mit einem Messer das man dabei
hat, oder mit einem Stein, um diesen von der Brücke zu stoßen, damit er die
Gleise blockiert. Würde man das tun?
Man würde es nicht so leicht tun wie man
die Weiche umgestellt hätte, und das aus einem ganz einfachen Grund. Man muss
diesen Mord mit seinen eigenen Händen ausführen.
Man muss Recht und Moral streng voneinander
trennen, ansonsten kann ein Staatssystem wie die Bundesrepublik Deutschland
nicht bestehen bleiben.
Die Staatsanwältin plädiert am Ende zu
einer Verurteilung aufgrund hundertsechsundvierzigfachen Mordes.
Danach folgt das Plädoyer des Verteidigers:
Er führt an, dass man manchmal Prinzipen
über den Einzelfall stellen muss, die in einem Gesetz nicht festgehalten werden
können. Es geht also um sogenannte überstaatliche Prinzipien.
Er sagt ganz klar und das ist eine
unbestreitbare Aussage: Herr Koch hat gegen das Gesetzt verstoßen. Aber war es
deswegen unrecht?
Er argumentiert außerdem mit dem kleineren
Übel. Ist nicht ein kleineres Übel einem größeren vorzuziehen?
Auch er führt Beispiele an: Im Jahre 2000
wurde vor einem Gericht entschieden ob man Siamesische Zwillinge, die zusammen
nicht mehr hätten leben können, trennen sollte. Die Eltern waren dagegen und so
musste das Gericht entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtes war folgende.
Sie zogen das kleinere Übel dem größeren vor und trennten die beiden. Dabei
retteten sie den stärkeren Zwilling.
Außerdem sagte der Vizepräsident der
Vereinigten Staaten nach den Anschlägen am 11. September 2001, dass es dem
Recht entsprochen hätte das Flugzeug abzuschießen wenn man dazu in der Lage
gewesen wäre.
Man sollte also kein zweifelhaftes
Verfassungsprinzip über moralische Prinzipien stellen.
Das Gesetz schützt Personen wenn die
persönliche, egoistische Entscheidungen treffen. Wenn ein Vater seinen Wagen
zur Seite reißt und in eine Menschenansammlung fährt und dabei 5 Leute zu Tode
kommen, da er seiner Tochter ausweichen musste, die auf die Straße mit ihrem
Fahrrad gefahren ist , ist dieser vor dem Gesetz entschuldigt. Ziehen wir also
egoistische selbstlosen Entscheidungen vor?
Der Verteidiger plädiert also auf
unschuldig.
Danach durften die Zuschauer abstimmen.
Jeder vor dem Fernseher auf dem Sofa wurde also zum Richter.
Das Ergebnis war eindeutig: Nur 13,1
Prozent stimmten für schuldig und 86,9 Prozent für unschuldig.
In Österreich stimmten ebenfalls 13,1
Prozent für schuldig und nur 86,9 Prozent für unschuldig.
In der Schweiz (hierbei sei auch bemerkt,
dass es dort noch immer Volksabstimmungen gibt) stimmten 16 Prozent für
schuldig und 84 Prozent für unschuldig.
Wurde hier aber in Wahrheit nicht über
unser Grundgesetz abgestimmt? Ist die Verfassung nicht durchaus klüger als wir
selbst es sind, da sie über persönliche Gründe hinwegsieht.
Herzu ein Beispiel. Ein Arzt in einem
Krankenhaus und muss einen anderen Patienten zuerst behandeln, da er vor seinem
eigenen Kind eingeliefert wurde. Dieser andere Patient ist auch noch dazu 80
Jahre alt.
In unserem Grundgesetz steht, dass jeder
Mensch gleich viel Wert ist und die Würde des Menschen unantastbar ist.
Ein Satz auf den wir alle stolz sind.
Bezweifelt man nicht diesen Satz mit der Entscheidung für die Unschuld?
Ja, das tut man. Es ist nämlich
unbestreitbar, dass Herr Koch nach dem Gesetz schuldig ist. Er hat nämlich
gegen unser heute gültiges Gesetz verstoßen und muss demnach verurteilt werden.
Könnte man da nicht einen Kompromiss
finden, wie: Verurteilt ihn und danach wird er begnadigt?
Aber was würde das für eine Botschaft senden?
Das Gericht hat keine Macht und unser Gesetz ist nicht die höchste Instanz. Ich
kann gegen das Gesetz verstoßen, ohne verurteilt zu werden.
Aber was wäre wenn man ihn nach dem Gesetz
verurteilen würde. Bei dem nächsten Anschlag würde also nicht mehr geschossen
werden und die Terroristen haben Erfolg. Dann wäre die Botschaft klar. Wir die
Bundesrepublik Deutschland lassen dem Terror freie Hand.
Wie lautet also die Antwort auf die
Schuldfrage? Gibt es überhaupt eine Antwort? Geht es nicht vielleicht nur noch
um die Würde der Menschen im Stadion? Sind die Menschen im Flugzeug nicht
ohnehin schon dem Tode geweiht? Verliert man aber wirklich seine Würde im
Angesicht des Todes?
Man wird wahrscheinlich nie herausfinden,
ob die Passagiere das Flugzeug noch hätten umlenken können. Doch was wäre dann
passiert. Wären sie vielleicht auch in ein Hochhaus gerast? Oder mitten in die
Innenstadt? Und wären die Passagiere nicht ganz sicher getötet worden, da
keiner in der Lage gewesen wäre das Flugzeug zu landen? Ist es dann nicht die
bessere Entscheidung das Flugzeug abzuschießen?
Wahrscheinlich gibt es keine Antwort auf
diese Frage. Vielleicht hätte ich in dieser Situation genauso gehandelt, wenn
ich alles andere vorher versucht hätte. Ja, meiner Meinung nach ist es die
richtige Entscheidung gewesen. Meiner Meinung nach war es die richtige
Entscheidung 164 Menschen zu töten.
Aber bin ich dann unschuldig? Nein, denn
ich habe diese Menschen getötet. Ich muss nach dem Gesetz verurteilt werden.
Aber dann wollen wir noch einmal an die
Botschaft denken, die das an die Terroristen sendet. Man ist also in diesem
Zwiespalt gefangen. Entweder ändert man das Grundgesetz. Das Gesetz auf dem
unsere ganzes Land und dessen Existenz basiert. Oder man stuft diesen Vorfall
als übergesetzlich ein, was allerdings zur Folge hat, dass das Gesetz nicht
alle Fälle behandeln kann. Es würde aussagen, dass das Gesetz Schwächen und
Lücken hat. Oder man verurteilt Herrn Koch 164 Menschen getötet zu haben um
70.000 zu retten.
Auch ich kann keine genaue Antwort geben,
doch ich denke, dass Herr Koch schuldig vor dem Gesetz ist und trotzdem die
richtige Entscheidung getroffen hat.
Hier zur Buchkritik von Terror von Ferdinand von Schriach
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit Nutzung der Kommentarfunktion werden personenbezogene Daten die du durch den Kommentar mitgeteilt hast gespeichert (z.B. Bild, Name und die Nachricht). Mit der Nutzung der Kommentarfunktion erklärst Du Dich damit einverstanden.
Falls du einen Kommentar gelöscht haben möchtest, wende dich bitte an mich per Mail (Adresse findest du im Impessum). Für weitere Informationen schaue in meiner Datenschutzerklärung nach.