Dienstag, 4. April 2017

Terror - mein Urteil - Philosophie Essay


Terror – mein Urteil

Ich habe am Montag den 17. Oktober 2016 einen Film in der ARD gesehen. Dieser hieß Terror - ihr Urteil. Darin ging es um eine Gerichtsverhandlung, die ein theoretisches Szenario behandelt hat.
Ein Kampfflugzeugpilot hat ein Flugzeug mit 164 Passagieren an Bord, welches von einem Terroristen auf ein Fußballstadion mit 70.000 Menschen gelenkt wurde abgeschossen und steht für diese Entscheidung nun vor dem Gericht.
Bei dieser Gerichtsverhandlung sagten nacheinander verschiedene Beteiligte aus und danach hat Deutschland entschieden, ist dieser Mann schuldig oder nicht schuldig. Je nachdem wie die Abstimmung verlaufen ist, wurde dann das jeweilige Ende, die Urteilsverkündung, ausgestrahlt worden. Entsprechend wurde das Thema noch in der Sendung Hart aber Fair diskutiert.
Der Film hieß Terror – ihr Urteil und wurde von Ferdinand von Schirach in Szene gesetzt. Gleichzeitig lief dieser Film auch in Österreich und der Schweiz.
Als erstes wurde der Leiter der Kommandozentrale im Fußballstadion befragt. Dieser hatte das Stadion nicht räumen lassen und dadurch den Flugzeugpiloten Koch gezwungen eine Entscheidung zu treffen, ob man das Flugzeug nun abschießen sollte oder nicht.
Ihm wurden auch höchst beunruhigende Fragen der Staatsanwältin gestellt.
Sie waren sich also sicher, dass der Pilot die richtige Entscheidung treffen würde? Ja.
Sie haben das Stadion also daraufhin nicht geräumt, da sie darauf vertraut haben, dass Herr Koch dieses abschießen würde? Ja.
Und hätten sie das Stadion geräumt wenn niemand das Flugzeug hätte abschießen können? Ja.
Nach diesem Zeugen wurde Herr Koch selber aufgerufen.
Zuallererst wurde sein Lebenslauf erläutert. Dadurch wurde klar gemacht, dass er ein intelligenter, hochqualifizierter Mann war.
Nun wurden die Abläufe dieses Tages noch einmal genau erklärt.
Herr Koch wusste was er da tat. Er war sich ganz genau bewusst, dass er 164 Menschen tötete, war allerdings auch der Meinung, dass er dadurch 70.000 rettete.
Aber hat er das wirklich? Die Passagiere versuchten nämlich in den Minuten vor dem Abschuss ins Cockpit des Flugzeuges einzudringen. Hätten sie es noch erreichen können? Hätten sie es vielleicht zum Absturz bringen können, es umlenken können?
Koch antwortete auf die Frage, ob er gesehen hätte das Menschen auf den Fluren standen und versuchte ins Cockpit zu kommen, dass er nichts dergleichen gesehen habe.
Doch Koch hatte noch ein paar andere hochinteressante Ansichten.
Zum Beispiel argumentierte er so: Die Menschen haben sich bewusst auf ein Risiko eingelassen als sie in dieses oder jedes andere Flugzeug stiegen. Jedem in unserer heutigen Welt ist spätestens nach den Anschläge 2001 oder auch nach denen von Paris bewusst, dass es bei größeren Menschenansammlungen zu terroristischen Anschlägen kommen kann. Er geht sogar so weit, dass er sagt die Menschen sind nicht mehr unschuldig wenn die in dieses Flugzeug steigen. Sie haben eingewilligt im Zweifelsfall getötet zu werden.
Aber was ist dann mit den Kindern? Auch auf diese Frage der Staatsanwältin hat er eine Antwort. In diesem Fall haben die Eltern eingewilligt.
Hat er Recht? Willigen wir mit dem Kauf eines Tickets also ein, vielleicht getötet zu werden und sind wir dadurch nicht mehr unschuldig, da wir um die Gefahr wissen? Sind das dann nicht auch die Menschen im Fußballstadion? Bin nicht ich das auch schon, wenn ich auf eine Party gehe? Wenn ich in ein Café gehe? Wenn ich vor die Türe gehe? Vielleicht bin ich mir sogar der möglichen Gefahr bewusst, aber werde ich dadurch nicht mehr unschuldig?
Doch Koch geht noch weiter. Er behauptet, dass die Menschen im Flugzeug zu Gegenständen werden, da sie als eine Waffe gebraucht werden. Das Flugzeug ist die Waffe des Terroristen, ja, aber die Menschen sind immer noch Menschen. Ob schuldig oder nicht schuldig.
Am interessantesten fand ich die letzten Fragen der Staatsanwältin an Herrn Koch.
Würden sie es immer wieder tun, auch wenn ihnen die Konsequenzen bewusst sind? Ja.
Hätten sie es auch getan, wenn ihre Frau und ihr Kind in dem Flugzeug gesessen hätten? Darauf kann ich keine Antwort geben.
Aber fällt mit dieser Antwort nicht die ganze Argumentation der Verteidigung? Dass es Überstaatliche Entscheidungen gibt, die auf Prinzipien und nicht auf der Moral beruhen? Wenn Herr Koch also aufgrund von Prinzipien gehandelt hätte, dann hätte er das Flugzeug abschießen müssen, auch wenn Familienangehörige darin gesessen hätten.
Danach wird eine Angehörige eines der Opfer vor Gericht geladen und sie erzählt auf der ergreifende Weise wie sie diesen Tag erlebt hat. Sie verurteilt auch Herrn Koch diese Menschen getötet zu haben. Danach folgt das Plädoyer der Staatsanwältin:
Die Kernaussagen des Plädoyers der Staatsanwältin sind Folgende.
Man kann Menschenleben nicht aufrechnen. Leben kann nämlich nicht in Zahlen gemessen werden, es ist kein Markt.
An diesem Punkt hat mein Bruder gesagt: „Natürlich kann man das.“ Und ich habe ihm daraufhin ein Beispiel genannt. Wenn du entscheiden müsstest wer stirbt und klar ist das der eine nicht überleben kann während der andere überlebt. Auf der einen Seite stehen zwei Massenmörder und Vergewaltiger im Alter von 60. Auf der anderen ein kleiner fünfjähriger Junge. Wen würdest du töten? Und mein Bruder hat geantwortet: „Die beiden Mörder.“
Nun, kann man jetzt Leben gegeneinander aufrechnen? Kann man immer pauschal sagen, dass immer diejenigen gerettet werden müssen, die in der Mehrzahl sind?
Ich glaube spontan würde jeder sagen, ja klar. Aber wenn man näher darüber nachdenkt, kommt man in einen Konflikt.
Die Staatsanwältin nannte dafür auch ein Beispiel.
Man kann eine Weiche umstellen, sodass ein unkontrollierbarer Zug entweder in ein Dorf kracht oder einen anderen Weg entlangfährt und dabei 5 Arbeiter, die gerade die Gleise reparieren, tötet. Man würde die Weiche also so einstellen das weniger Menschen dabei umkommen. Wenn man das Geschehen nun aber von einer Brücke beobachten würde und man einen einzigen dicken Menschen töten müsst meinetwegen mit einem Messer das man dabei hat, oder mit einem Stein, um diesen von der Brücke zu stoßen, damit er die Gleise blockiert. Würde man das tun?
Man würde es nicht so leicht tun wie man die Weiche umgestellt hätte, und das aus einem ganz einfachen Grund. Man muss diesen Mord mit seinen eigenen Händen ausführen.
Man muss Recht und Moral streng voneinander trennen, ansonsten kann ein Staatssystem wie die Bundesrepublik Deutschland nicht bestehen bleiben.
Die Staatsanwältin plädiert am Ende zu einer Verurteilung aufgrund hundertsechsundvierzigfachen Mordes.
Danach folgt das Plädoyer des Verteidigers:
Er führt an, dass man manchmal Prinzipen über den Einzelfall stellen muss, die in einem Gesetz nicht festgehalten werden können. Es geht also um sogenannte überstaatliche Prinzipien.
Er sagt ganz klar und das ist eine unbestreitbare Aussage: Herr Koch hat gegen das Gesetzt verstoßen. Aber war es deswegen unrecht?
Er argumentiert außerdem mit dem kleineren Übel. Ist nicht ein kleineres Übel einem größeren vorzuziehen?
Auch er führt Beispiele an: Im Jahre 2000 wurde vor einem Gericht entschieden ob man Siamesische Zwillinge, die zusammen nicht mehr hätten leben können, trennen sollte. Die Eltern waren dagegen und so musste das Gericht entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtes war folgende. Sie zogen das kleinere Übel dem größeren vor und trennten die beiden. Dabei retteten sie den stärkeren Zwilling.
Außerdem sagte der Vizepräsident der Vereinigten Staaten nach den Anschlägen am 11. September 2001, dass es dem Recht entsprochen hätte das Flugzeug abzuschießen wenn man dazu in der Lage gewesen wäre.
Man sollte also kein zweifelhaftes Verfassungsprinzip über moralische Prinzipien stellen.
Das Gesetz schützt Personen wenn die persönliche, egoistische Entscheidungen treffen. Wenn ein Vater seinen Wagen zur Seite reißt und in eine Menschenansammlung fährt und dabei 5 Leute zu Tode kommen, da er seiner Tochter ausweichen musste, die auf die Straße mit ihrem Fahrrad gefahren ist , ist dieser vor dem Gesetz entschuldigt. Ziehen wir also egoistische selbstlosen Entscheidungen vor?
Der Verteidiger plädiert also auf unschuldig.

Danach durften die Zuschauer abstimmen. Jeder vor dem Fernseher auf dem Sofa wurde also zum Richter.
Das Ergebnis war eindeutig: Nur 13,1 Prozent stimmten für schuldig und 86,9 Prozent für unschuldig.
In Österreich stimmten ebenfalls 13,1 Prozent für schuldig und nur 86,9 Prozent für unschuldig.
In der Schweiz (hierbei sei auch bemerkt, dass es dort noch immer Volksabstimmungen gibt) stimmten 16 Prozent für schuldig und 84 Prozent für unschuldig.
Wurde hier aber in Wahrheit nicht über unser Grundgesetz abgestimmt? Ist die Verfassung nicht durchaus klüger als wir selbst es sind, da sie über persönliche Gründe hinwegsieht.
Herzu ein Beispiel. Ein Arzt in einem Krankenhaus und muss einen anderen Patienten zuerst behandeln, da er vor seinem eigenen Kind eingeliefert wurde. Dieser andere Patient ist auch noch dazu 80 Jahre alt.
In unserem Grundgesetz steht, dass jeder Mensch gleich viel Wert ist und die Würde des Menschen unantastbar ist.
Ein Satz auf den wir alle stolz sind. Bezweifelt man nicht diesen Satz mit der Entscheidung für die Unschuld?
Ja, das tut man. Es ist nämlich unbestreitbar, dass Herr Koch nach dem Gesetz schuldig ist. Er hat nämlich gegen unser heute gültiges Gesetz verstoßen und muss demnach verurteilt werden.
Könnte man da nicht einen Kompromiss finden, wie: Verurteilt ihn und danach wird er begnadigt?
Aber was würde das für eine Botschaft senden? Das Gericht hat keine Macht und unser Gesetz ist nicht die höchste Instanz. Ich kann gegen das Gesetz verstoßen, ohne verurteilt zu werden.
Aber was wäre wenn man ihn nach dem Gesetz verurteilen würde. Bei dem nächsten Anschlag würde also nicht mehr geschossen werden und die Terroristen haben Erfolg. Dann wäre die Botschaft klar. Wir die Bundesrepublik Deutschland lassen dem Terror freie Hand.
Wie lautet also die Antwort auf die Schuldfrage? Gibt es überhaupt eine Antwort? Geht es nicht vielleicht nur noch um die Würde der Menschen im Stadion? Sind die Menschen im Flugzeug nicht ohnehin schon dem Tode geweiht? Verliert man aber wirklich seine Würde im Angesicht des Todes?
Man wird wahrscheinlich nie herausfinden, ob die Passagiere das Flugzeug noch hätten umlenken können. Doch was wäre dann passiert. Wären sie vielleicht auch in ein Hochhaus gerast? Oder mitten in die Innenstadt? Und wären die Passagiere nicht ganz sicher getötet worden, da keiner in der Lage gewesen wäre das Flugzeug zu landen? Ist es dann nicht die bessere Entscheidung das Flugzeug abzuschießen?
Wahrscheinlich gibt es keine Antwort auf diese Frage. Vielleicht hätte ich in dieser Situation genauso gehandelt, wenn ich alles andere vorher versucht hätte. Ja, meiner Meinung nach ist es die richtige Entscheidung gewesen. Meiner Meinung nach war es die richtige Entscheidung 164 Menschen zu töten.
Aber bin ich dann unschuldig? Nein, denn ich habe diese Menschen getötet. Ich muss nach dem Gesetz verurteilt werden.
Aber dann wollen wir noch einmal an die Botschaft denken, die das an die Terroristen sendet. Man ist also in diesem Zwiespalt gefangen. Entweder ändert man das Grundgesetz. Das Gesetz auf dem unsere ganzes Land und dessen Existenz basiert. Oder man stuft diesen Vorfall als übergesetzlich ein, was allerdings zur Folge hat, dass das Gesetz nicht alle Fälle behandeln kann. Es würde aussagen, dass das Gesetz Schwächen und Lücken hat. Oder man verurteilt Herrn Koch 164 Menschen getötet zu haben um 70.000 zu retten.
Auch ich kann keine genaue Antwort geben, doch ich denke, dass Herr Koch schuldig vor dem Gesetz ist und trotzdem die richtige Entscheidung getroffen hat.

Hier zur Buchkritik von Terror von Ferdinand von Schriach

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